Wie riecht die heilige Geisteskraft?
Es ist Sonntagmorgen, 10 Uhr. In ein paar Stunden findet ein Firmgottesdienst statt. Eigentlich ist in der Kirche alles vorbereitet, aber ich bin überpünktlich da, denn in diesem Gottesdienst haben wir neben dem sowieso schon Besonderen der Firmung noch etwas anderes vor: Es wird ein großer Diffuser im Gottesdienstraum stehen, der Duft in der Kirche verteilt. Der Name des Duftes klingt schon nach Heiligem Geist: DYNAMIS. DYNAMIS ist Teil der ZAP:Aerothek. Die Aerothek ist ein am Zentrum für angewandte Pastoraltheologie (ZAP) in Bochum entwickeltes Format der innovativen Glaubenskommunikation. Sie möchte das Erleben eines Gottesdienstes, einer christlichen Veranstaltung oder eines Gebets auf ein anderes Level heben. Und zwar durch ein einfaches, aber dennoch komplex umzusetzendes Mittel: Düfte.
Eine lange christliche Tradition
Düfte in einen Gottesdienst einzubinden, ist in der christlichen Tradition nicht unbedingt etwas Neues. Weihrauch wird schon seit Jahrhunderten in den unterschiedlichsten Formen genutzt und macht natürlich auch das, was die Aerothek macht: Er fügt dem Erleben im Gottesdienst einen neuen Sinn hinzu. Neben dem Gehör (Musik und Texte), dem Sehen (liturgisches Geschehen, Riten und Farben), dem Fühlen (kalte Kirchenbänke) und bei einer Eucharistie-, Abendmahl- oder Agapefeier auch das Schmecken, spricht Weihrauch den Geruchsinn an. Die Aerothek hat gegenüber dem Weihrauch einen entscheidenden Vorteil: auch wenn der Duft richtig intensiv aufgelegt wird, wird der Sinn „Sehen“ in keiner Form eingeschränkt.
Natürlich gibt es aber auch noch weitere Unterschiede. Es gibt unendlich viele Weihrauchsorten, die für Vieles unterschiedlich passend sind. Die Aerothek macht es Personen, die sich oft nur schwer entscheiden können oder keine Zeit haben, etwas auszusuchen, sehr viel einfacher.
Es gibt vier Düfte, die in Zusammenarbeit von Theologie und Duftwissenschaft mit Blick auf das Kirchenjahr entstanden sind. Darunter das weihnachtliche PHYSIS, das nach Gewürzen, Orange, Mandarine und holzigen Noten und Vanille duftet, das österliche KENOSIS mit Ambra, Moschus und Myrrhe oder das pfingstliche DYNAMIS sowie der Duft für den Alltag PHRONESIS.
Diese vier Düfte müssen weder angezündet noch mit Kohle unterlegt werden, sondern werden elektrisch zerstäubt und so in der Luft verteilt. Diese Methode soll dafür sorgen, dass auch ein sehr großer Kirchenraum innerhalb kurzer Zeit mit dem Duft gefüllt werden kann.
Ein Diffuser mitten im Kirchenraum
Während des Firmgottesdienstes ist der pfingstliche Duft DYNAMIS im Einsatz. Da der Gottesdienst in einer sehr großen Kirche stattfindet, lasse ich den Diffuser über eine Stunde vor Start des Gottesdienstes laufen. Der Diffuser sieht unauffällig aus und steht mitten im Kirchenraum. Er lässt sich sehr leicht installieren und braucht nur eine Steckdose. Der Duft, der mit einem leisen, aber nicht störenden Surren aus dem Diffuser kommt, riecht blumig und erfrischend. Ob er überhaupt bei der Firmung gewünscht ist, habe ich natürlich am Vorabend die Jugendlichen, die gefirmt werden, gefragt. Denn ein Duft kann nicht nur als angenehm empfunden werden, sondern wenn er als zu penetrant wahrgenommen wird, kann der Duft ebenso stören oder Kopfschmerzen hervorrufen. Die Jugendlichen standen deswegen bei der Firmprobe um den Diffuser herum und haben den Duft für gut befunden.
Von angenehm bis zu intensiv
Während die Kirche sich zur Firmung langsam mit Gottesdienstbesucher*innen füllte, verbreitete sich auch der Duft DYNAMIS langsam im Raum. Für einen wirklich großen Kirchenraum verbreitete er sich für mein Empfinden etwas zu langsam. Nach dem Gottesdienst befragte ich natürlich einige der Besucher*innen, wie sie den Duft fanden, aber kaum jemand hatte einen Duft wahrgenommen. Auch die Jugendlichen, die den Duft ja bereits kannten, haben nicht wirklich etwas gerochen. Personen, die in der Nähe des Diffusers saßen, haben den Duft zwar wahrgenommen, aber nicht als durchgehend positiv. Manche sagten, dass es angenehm und erfrischend gewesen sei, andere fanden es zu intensiv. „Das roch wie bei Douglas – ich fand es störend.“
Dass Personen, die weiter weg saßen, den Duft nicht bewusst wahrgenommen hatten, muss nicht unbedingt etwas heißen. Vielleicht hat sich bei ihnen die Intention des Duftes sogar deutlicher entwickelt als bei den Personen, die den Duft aktiv wahrgenommen hatten.
Ein Duft, damit sich ein positives Gefühl einstellt
Die Düfte der Aerothek wurden von Personen entwickelt, die, wenn sie nicht gerade Düfte fürs Kirchenjahr konzipieren, mit Unternehmen zusammenarbeiten, die ihr Produktmarketing durch sie unterstreichen wollen. Autos, Immobilien oder Schmuck. Bei der Vermarktung geht es explizit nicht darum, dass mögliche Kund*innen den Duft sofort wahrnehmen, sondern dass sich unterbewusst ein positives Gefühl einstellt, das durch den Duft unterstrichen wird.
Anders als zu dem Duft gab es zur Atmosphäre des Gottesdienstes einiges an positiver Rückmeldung. Auch Personen, die seit Jahren in keiner Kirche mehr waren, sagten sie haben sich wohlgefühlt. Das wird ganz sicher nicht ausschließlich an dem Duft liegen. Aber, dass er dazu beigetragen hat, glaube ich schon.
Ich habe den Diffuser auch noch in einer anderen Kirche, in einem mittelgroßen Raum und auch draußen ausprobiert. Die Erfahrungen gingen dort in eine ähnliche Richtung: Werden die Düfte sehr deutlich wahrgenommen, gehen die Meinungen auseinander. Dann scheint es eine Geschmackssache zu sein. Werden sie nicht deutlich wahrgenommen, sondern sind dezent im Hintergrund, so ist mein Eindruck, hat es einen positiven Einfluss auf die Atmosphäre. Düfte wirken auf unbewusste Art auf das Empfinden und sprechen uns auf reiner Gefühlsebene an. So ist auch meine Empfehlung, sich wirklich an die vorgeschlagenen Einstellungen zu halten und nicht höher zu drehen, weil der Duft zu Beginn nur wenig wahrgenommen wird. Eine Ausnahme bilden Andachten, die konkret zum jeweiligen Duft gestaltet werden.
Ich habe in den letzten Jahren schon oft mit Düften in Verbindung zur Spiritualität gearbeitet, meistens mit einem klassischen, kleinen Diffuser, der mit Wasserdampf arbeitet. Vanille zur Weihnachtszeit, Zimt-Apfel im Herbst, Pfefferminz im Frühling… Die Düfte der Aerothek sind dazu eine wundervolle Ergänzung, die vielleicht ein kleines bisschen näher führen an die Frage: Wie riecht die Heilige Geisteskraft?
Lisa Quarch
Die Düfte der Aerothek
PHYSIS – Weihnachten
Theologisch: Gott wird in Jesus von Nazareth Mensch. Konkreter kann er nicht ausdrücken, dass er zu seiner Schöpfung steht. Er nimmt sie an und damit jede und jeden von uns. Weinachten bedeutet: Diese Welt ist dein Platz, und in der Kraft Gottes kannst du dich dir selbst und deinen Aufgaben stellen.
Dufttheorethisch: Ein Duft mit frischer Kopfnote basierend auf Orange und Mandarine, einer klaren, warmen, blumigen Herznote und einem reichhaltigen Fond mit holzigen Noten und Vanille. Die Komposition ist angereichert mit Spuren von verschiedenen Gewürzen, die dem Duft Wärme geben.
KENOSIS – Ostern
Theologisch: Jesus von Nazareth bleibt bei seinen Idealen, bis zum Letzten. Er stirbt für uns am Kreuz, wird auferweckt und zeigt damit, dass der Glaube an Gott stärker ist als der Tod. Das große Lebensgeheimnis Jesu ist dieses: Wer sich in das Glück der anderen hinein investiert, findet diese – und sich selbst – und ihn.
Dufttheorethisch: Die Interpretation junger sprießender Blätter in der Natur, frische leichte Blumennoten unterlegt mit holzigen Noten mit Ambra, Moschus und Myrrhe.
DYNAMIS – Pfingsten
Theologisch: Gott ist eine Kraftquelle: Wer sich der Realität stellt (physis) und sich für andere engagiert (kenosis), der erlebt oft kraftvolle Verwandlung. Der Geist ergreift dich wie eine frische Brise und er lüftet dir den Kopf, das Herz und die Hand.
Dufttheoretisch: Die Darstellung eines starken kräftigen Windes mit frischer angenehmer Kopfnote. Die Frische wird unterstützt durch die Basisnoten, wo Moschus und Iso E Super mit Spuren von Patchouli, Leder und Tonka Komplexizität bekommen.
PHRONESIS – Alltag
Theologisch: Im Alltag ist alles Besondere da, nur dezenter und verborgener. Die Schöpfung trägt dich (physis); der Geist Jesu begleitet dich (kenosis); dein Geist öffnet sich dem Möglichen (dynamis). Dieser Dreischritt ist deine Klugheit.
Dufttheoretisch: Sehr dezenter unaufdringlicher Duft mit den Hauptkomponenten Hedion für eine transparente leichte Blumigkeit, Iso E Super als weiche runde holzige Note und klare helle Moschusnoten. Die Hauptkomponenten in diesem Duft sind in allen anderen Düften ebenfalls zu finden.
www.zap-aerothek.de